Sorgende Frau

1910

Sorgende Frau

1910

Kaum ein anderes frühes Werk Barlachs wirkt so kompakt wie die Sorgende Frau aus dem Jahr 1910.
Der Aufbau der Figur ist geometrisch klar: die weit auseinander gestellten Beine und der Oberkörper bilden jeweils ein Rechteck und der Kopf ist kreisrund.
Hier offenbart sich Barlachs Nähe zur abstrahierenden Formensprache seiner Zeit.

Auch Material und Oberflächenbearbeitung wirken auf den Bedeutungsgehalt hin. Das düstere Grübeln der gedrungenen Gestalt betont Barlach durch die auffallend dunkle Farbe. Dafür hat er das Eichenholz mit einem glänzenden Überzug fast schwärzlich getönt. Das Holz wirkt schwer wie Bronze.

Barlach hat viel Energie in diese Skulptur gesteckt. Auf unübliche Weise hat er das Holz mühsam gegen die Wuchsrichtung geschnitzt. Dadurch wird ein feines Netz der Maserung sichtbar, das von den Jahresringen auf der Vorderseite ausgeht. Wie ein Kokon spannt es sich um die Figur. Zusätzlich hat der Bildhauer das Holz mit kleinsten Kerben bearbeitet, so dass eine bewegte Oberfläche entsteht. Dank dieser Vorgehensweise intensiviert sich der Eindruck innerer Anspannung und des Gefangenseins der Frau in ihren Gedanken.

Das Motiv mag auf Beobachtungen und Skizzen Barlachs während seiner Russlandreise 1906 zurückgehen. Die mit sich ringende Frau erscheint ebenso in den Illustrationen zu seinem ersten Drama Der tote Tag, das er 1907 verfasste und in dem es um einen Mutter-Sohn-Konflikt geht.

Umringt von Werken Edvard Munchs war die Sorgende Frau 1912 im Ehrensaal der legendären Sonderbundausstellung in Köln zu sehen. Mit dieser Präsentation wurde Ernst Barlach gemeinsam mit Munch, dem berühmten Wegbereiter der Moderne, als „nordischer“ Künstler geehrt.

 

Barlach inspirierte

Eine Zeit lang befand sich die Skulptur im Besitz von Barlachs Kunsthändler Paul Cassirer und seiner Frau Tilla Durieux.

Der berühmten Schauspielerin bedeuteten Barlachs Werke und die persönliche Bekanntschaft mit dem Bildhauer viel. In ihren Memoiren schrieb sie, dass sie sich 1921 bei der Erarbeitung einer Rolle von Barlachs Figur inspirieren ließ:

»[Ich] holte mir bei der Sorgenden Frau Hilfe, als ich in dem Stück 'Rote Robe' mit der Bäuerin nicht zurechtkommen konnte. Es wurde eine meiner besten Rollen.« 

Werkdaten

Titel
Sorgende Frau
Datierung
1910
Reihe, Serie
Material, Technik
Holz (Eiche) mit getöntem Überzug
MAßE
65,8 x 38,6 x 48,4 cm
Signatur
Rückseite am Sockel oben: E Barlach
Bezeichnung
Nicht bezeichnet; Fragment Klebeetikett: No. 1(...)264 / Barlach / Sorgende Frau / P. Cassirer
Sammlungsbereich
Skulptur und Plastik
Inventar-Nr.
P 1962/001
Werkverzeichnis
Laur II 0151
Bemerkung
Auflage
Erwerbung
Von Marianne Feilchenfeldt, Zürich, am 2.2.1962
Provenienz
  • 1911 Paul Cassirer, Berlin
  • 1915 Dr. Hugo Cassirer, Berlin
  • 1920 Charlotte Fürstenberg-Cassirer, Johannesburg, Südafrika
  • 1962 Marianne Feilchenfeldt, Zürich
Creditline
© Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg; Foto: Andreas Weiss

Werk