Der Sänger (Singender Klosterschüler)
1931
Diese Skulptur gehört mit der Frau im Wind zur Gemeinschaft der Heiligen, die Barlach für die Katharinenkirche in Lübeck entwarf. Der Name für diese Figuren-Reihe, die zur Aufstellung in den Blendnischen der Westfassade des gotischen Bauwerks bestimmt war, stammte vom damaligen Lübecker Museumsdirektor Carl Georg Heise. Er hatte Barlach im Oktober 1929 in Güstrow besucht und sich durch die im Atelier des Künstlers besichtigten Werke zum Lübecker Projekt inspirieren lassen.
Die Finanzierung des zunächst auf sechzehn Figuren angelegten, 1930 dann auf acht Figuren begrenzten Programms sollte durch private Förderer ermöglicht werden, die ein zweites Exemplar der jeweils für die Katharinenkirche gestifteten Klinkerfigur erhalten sollten. Der Bettler war die erste Skulptur, die Barlach 1930 fertig stellen und als Klinkerbrand in der Grube Ilse in Senftenberg ausformen lassen konnte. Nach der provisorischen Aufstellung des Bettlers im Garten des Lübecker Behnhauses wurden in der Öffentlichkeit heftige Proteste gegen die vorgesehene Fassadengestaltung der Katharinenkirche laut, die im Dezember 1930 und in den ersten Monaten des Jahres 1931 in eine Unterschriftenaktion gegen das Projekt mündeten. Trotz dieser Kampagne setzte sich Heise weiterhin mit allem Nachdruck für die Förderung des Auftrags ein. So gelang es ihm, die Hamburger Kunsthalle als Stifter zu gewinnen. Im Verlauf des Jahres 1931 gestaltete Barlach für die Gemeinschaft der Heiligen zwei weitere Figuren, die die Standhaftigkeit des in seiner Suche nach geistiger Orientierung auf sich selbst gestellten Menschen zur Anschauung bringen: In einer stillen, gesammelten Haltung konzentriert sich der Singende Klosterschüler auf die Vergegenwärtigung der Gewissheiten seines inneren Erlebens. Die Frau im Windsetzt sich mit gelassener Zuversicht den Herausforderungen eines Schicksals aus, das sie als Bestandteil eines in seiner Sinnerfüllung unerforschlichen, höheren Geschehens annimmt
Nach Vollendung der dritten Figur zu Beginn des Jahres 1932 musste Barlach die Arbeit an dem Lübecker Projekt unterbrechen, da die weitere Finanzierung nicht gesichert war. Mit der Entlassung Heises im September 1933 zerschlugen sich endgültig alle Hoffnungen auf eine Fortsetzung des Auftrags. Ende 1932 waren die drei fertig gestellten Figuren vorläufig im Hohen Chor der Katharinenkirche aufgestellt worden. 1936 wurden sie von diesem - nach Barlachs Urteil- schönsten Platz der Welt« (Ernst Barlach, Die Briefe, Bd. 3, S. 674).Da der Künstler eine Zerstörung der Skulpturen befürchten musste, entschloss ersich, jeweils ein weiteres Exemplar herstellen zu lassen. 1936 überließ er dem Maler Hugo Körtzinger die Frau im Wind; 1938 schenkte er Hermann F. Reemtsma den Singenden Klosterschüler. Körtzinger, der die Frau im Wind zunächst an der Außenwand seines Ateliers aufstellte, gab die Figur später an Reemtsma weiter. Glücklicherweise konnten die drei Lübecker Klinkerfiguren vor der Zerstörung bewahrt und 1947, wie vorgesehen, in den Nischen der Fassade der Katharinenkirche aufgestellt werden; 1949 kamen als Ergänzung der Reihe sechs Figuren von Gerhard Marcks hinzu.
Werkdaten
- Titel
- Der Sänger (Singender Klosterschüler)
- Datierung
- 1931
- Reihe, Serie
- Gemeinschaft der Heiligen
- Material, Technik
- Klinker, rotbrauner Scherben, ohne Glasur, mit späterem Überzug; gebrannt in der Grube Ilse, Senftenberg
- MAßE
- 207,6 x 52,2 x 38,4 cm
- Signatur
- Nicht signiert
- Bezeichnung
- Nicht bezeichnet
- Sammlungsbereich
- Skulptur und Plastik
- Inventar-Nr.
- P 1934/002
- Werkverzeichnis
- Laur II 0489, 1)
- Bemerkung
- –
- Auflage
- Drei Exemplare 1931, zwei Exemplare nach 1938
- Erwerbung
- Als Stiftung von Hermann F. Reemtsma, Hamburg, 1962
- Provenienz
- 1938 Hermann F. Reemtsma, Hamburg, als Geschenk von Ernst Barlach
- Creditline
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