Kunst, die mich angeht

Kunst, die mich angeht

Über die Entstehung unserer Sammlung

»Ich bin Ernst Barlach nie anders begegnet als mit großer Ehrfurcht vor seiner Kunst. Ich bin 1934 zu ihm gefahren, weil mich seine Kunst, der ich erst zwei Jahre zuvor bewusst begegnet war, anging. Alles Weitere, was daraus erfolgte, war innere Verpflichtung und hat nichts mit Mäzenatentum zu tun.«

So der Hamburger Unternehmer Hermann F. Reemtsma. Er war es, der mit seiner Sammlung den Grundstein des Ernst Barlach Hauses legte.

Die ersten Werke Barlachs sah der angehende Sammler wahrscheinlich im Hamburger Kunstverein, dessen engagiertes Mitglied er war. 1931 wurde Barlach dort in einer umfangreichen Ausstellung des Künstlers gezeigt. Reemtsma las schon früh Barlachs Autobiographie »Ein selbsterzähltes Leben« und vielleicht sah er auch eine Aufführung von dessen Drama „Der tote Tag“ im Thalia-Theater. Für Aufsehen hatte 1931 in Hamburg auch die Einweihung des von Barlach gestalteten Ehrenmals am Rathausmarkt gesorgt.

Im Maler und Bildhauer Hugo Körtzinger fand Hermann F. Reemtsma einen Freund und künstlerischen Berater. Der bemerkte bei seinem ersten Besuch im Hause Reemtsma: »Hier fehlt ein Barlach.« Und so besuchten die beiden Männer im August 1934 den Künstler in Güstrow. Freimütig erzählte Barlach von seinen Sorgen, berichtete von den zunehmenden völkisch-nationalistischen Anfeindungen und dass seine Werke als »artfremd« und »kulturbolschewistisch« diffamiert würden. Die Aufträge gingen zurück, und Barlach hatte durch den kostspieligen Atelierneubau Schulden. Als Reemtsma nach seiner ersten Begegnung mit Barlach zurück nach Hamburg fuhr, lag auf dem Rücksitz des Wagens die Holzskulptur Der Asket, die er spontan erworben hatte.
Wenig später gab er bei Barlach die Vollendung der Figurenreihe Fries der Lauschenden in Auftrag.
Der Hamburger Unternehmer und Zigarettenfabrikant setzte sich für Barlach ein, als dessen Werk von den Nationalsozialisten als »entartet« verfemt wurde.

Er trat der zunehmenden Verunglimpfung des Künstlers durch die Nationalsozialisten entgegen und versuchte vergeblich an offiziellen Stellen für Barlach zu intervenieren. 1936 veranlasste er einen Privatdruck über den Fries der Lauschenden, den er an ein Netzwerk von Liebhabern moderner Kunst versandte. Hier bekannte er sich namentlich zu Barlach, und auch in seinem Haus waren die Werke des Künstlers für seine Gäste sichtbar.

In den 30 Jahren seiner Sammlertätigkeit erwarb Hermann F. Reemtsma auch andere Kunst, die ihn »anging«: neben Alten Meistern und Zeichnungen des 19. Jahrhunderts vor allem Arbeiten von Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Emil Nolde, Paula Modersohn-Becker.

In der Nachkriegszeit waren Leihgaben aus seiner Barlach-Sammlung sehr gefragt, mit der Eröffnung des Ernst Barlach Hauses 1962 machte er diese Werke öffentlich zugänglich. Hermann F. Reemtsma hatte das Haus auf den Weg gebracht, doch er starb ein Jahr vor der Eröffnung. Seine Familie trägt bis heute die von ihm gegründete private Stiftung.